Mädchen trifft Junge, Junge trifft Mädchen – es könnte so einfach sein. Bei Giselle und Prinz Albrecht ist dem nicht so. Sie ist Hilarion versprochen, er soll Bathilde heiraten. Für einen kurzen Augenblick, für einen winzigen Wimpernschlag, ist die Liebe stärker und Giselle und Albrecht verlieren sich in ihr. Der Aufprall in der Realität gerät umso härter. Prinz Albrecht folgt seinen Pflichten, Giselle versinkt in Kummer und Wahnsinn, stirbt. Die Wilis, mythische Waldwesen, nehmen sie in ihre Gemeinschaft auf. Königin Myrtha erklärt ihr, dass sie als vor der Hochzeit betrogene Braut jeden Mann in den Tod tanzen muss, der sich in der Nacht im Wald verirrt.
Basierend auf Heinrich Heines Version der Wilis-Sage, erlebte das Ballett 1841 seine Uraufführung an der Pariser Oper. Adolphe Adam entwarf eine romantische Klangwelt, die weit mehr als bloße Begleitmusik des Tanzes war, sondern die die große Dramatik der italienischen musica lirica und die Drastik der Grand opéra ins Ballett überführt. Kleine, poetische Szenen und große, energiegeladene Ensemblesequenzen laden auch heute zur spannungsvollen Entdeckung ein.
Sa., 22.10.2022
Betty Otto
Tatjana Kadegge
23.10.2022
Das Handlungsballett ist zurück in Eisenach, mit Macht und mit Lust. Es ist eine Kernkompetenz des Ensembles um Andris Plucis und eine vergleichsweise sichere Bank im Spielplan, die unter Pandemiebedingungen unbesetz blieb. ... Alles in allem untersagt sich Plucis ganz und gar einem Deutungshorizonz. ... Lieber verbindet er handwerkliche Strenge mit künstlerischer Freiheit, klassisches Ballett mit Contemporary Dance, und erzählt uns diese alte Geschichte ganz schnörkellos. Ohne Tutu, ohne Chichi. .... Cara Verschraegen tanz Giselle als Springinsfeld und kecke Frohnatur, bis ihr das Lachen ein für alle Mal vergeht. Sie verwandelt unter den Wilis ihre barfüßig-bodenständige Elegnaz in ein geschmeidiges, durchscheinendes Wesen auf Spitz. Ihr Pax de deux unbeschwerter Liebelei mit Albrecht (Adson Lipaus Zocca) gerinnt in der Wiederbegegnung zur Geisterstunde zur hingebungsvollen Umklammerung auf die das liebende Loslassen folgt.
Michael Helbing
24.10.2022
Der romantische Klassiker „Giselle“ gelingt am Landestheater Eisenach, wie es sein muss – als berührendes Märchen, veredelt mit hohem Können und bemerkenswerter Einfühlsamkeit. Andris Plucis wählt für den Meilenstein der Tanzgeschichte einen klugen Zugang zwischen Respekt und Anpassung der Rollenmuster des 19. Jahrhunderts an die Gegenwart. ... Insgesamt macht die Eisenacher Kompanie optimalen Eindruck. Präzise und dabei unprätenziös, dramatisch präsent und mit sensibler Akkuratesse gestaltet sie „Giselle“ mit Sinn für die pittoresken und sensitiven Valeurs. Bei Plucis bekommen Kompaniemitglieder so viel solistisches Material wie möglich. In zweiten Teil holen alle zu einem bemerkenswert deutlichen und dennoch verzaubernden Finale aus. „Giselle“ gelingt am Landestheater Eisenach, wie es sein muss – als romantisches und berührendes Märchen, veredelt mit hohem Können und bemerkenswerter Einfühlsamkeit.
Roland H. Dippel
24.10.2022