SCHAUSPIEL DES THEATERS RUDOLSTADT
LUSTSPIEL VON HEINRICH VON KLEIST
Scherben bringen Glück, behauptet das Sprichwort. Anders in dieser Geschichte, bei der sich aus einer scheinbaren Bagatelle ein zünftiger Skandal entwickelt. Frau Marthe Rull tritt vor den Dorfrichter Adam mit einem lädierten Stück Steingut und einem konkreten Verdacht. Denn nicht nur ihr wertvoller Krug ist dahin, sondern, so vermutet Marthe, auch die Ehre ihrer Tochter Eve. In deren Zimmer ging das Corpus Delicti zu Bruch, während sich ihr des Nachts ein männlicher Besucher aufdringlich näherte. Sie beschuldigt Ruprecht, Eves Verlobten, der Tat. Der wird nun in Begleitung seines Vaters zusammen mit weiteren Zeugen verhört. Jeder Vorgeladene pocht vor Gericht auf seine ganz eigene Wahrheit. Und bei all dem Durcheinander und der Vielzahl der Perspektiven auf das Geschehen gerät der eigentliche Hüter der Ordnung, Richter Adam, zunehmend ins Visier der Ermittlungen. Im haarsträubenden Selbstbehauptungskampf, jeglichen Verdacht von sich ablenkend, versucht er, mit spitzfindigen Mitteln und doppelzüngigen Reden seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dummerweise erscheint zur Unzeit der hohe Gerichtsrat Walter, der die Verhandlungen mit Argusaugen überwacht und höchst eigensüchtige Interessen verfolgt.
In fast obsessiver Weise führte Heinrich von Kleist in seinen Dramen und Erzählungen die bestehenden Ordnungen und Regeln seiner Zeit an die Grenze der Belastbarkeit. So auch hier. Am Ende des Lustspiels steht so manches auf dem Prüfstand: Liebe, Familie, Staatsraison, Unschuld. Bei seiner Uraufführung 1808 im Weimarer Hoftheater noch ausgepfiffen, gilt Heinrich von Kleists Stück ob seines brillanten Sprachwitzes längst als eine der, wenn nicht gar als die turbulenteste Gerichtskomödie deutscher Sprache.
Do., 27.10.2022
Markus Fennert
Teresa Monfared
Katja Stoppa
Friederike Dumke
Die Kritikerin zeigt sich von Heinrich von Kleists "kurzweiligem Lustspiel aus Verstrickungen und Ausreden" angetan. Ausstatterin Teresa Monfared wird gelobt, für das Stück "einen perfekten Rahmen" geschaffen zu haben, nicht zuletzt durch das "dreistöckige, orangefarbene überdimensionale Luftkissen, [welches] die Bühne für das ganze Geschehen" bildet. Auch Schauspieler Matthias Winde überzeugt: Er füllt seine Rolle als Dorfrichter Adam "großartig und in aller Durchtriebenheit und Spitzfindigkeit" aus. Durch die von Kleist geschaffenen und von den Schauspielerin rezitierten "herrlich hintergründig-komischen Wortwechsel" besteht "der eigentliche Reiz für die Zuschauer darin, den ausufernden Argumentationen und Verstrickungen der Beteiligten beizuwohnen". Nicht zu vernachlässigen sei auch die Aktualität dessen, was der gesellschaftskritische Kleist in seinem Stück offenlegen wollte: "Machtmissbrauch, Urkundenfälschung und Erpressung" durch die höchste Instanz.
Ulrike Kern
16.05.2022
Der Beweis: Kleist kann auch Spaß machen ... Bei wem die erzwungene Lektüre von Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ in der Schulzeit ein bleibendes Trauma hinterlassen hat, dem kann geholfen werden: Den Schauspielerinnen und Schauspielern des Rudolstädter Theaters gelingt es, selbst die von Kleist genutzten Blankverse so darzubieten, dass der ganze Sprachwitz und die schöne, hintersinnige Besonderheit der Kleistschen Sprache griffig und erlebbar wird. ... Schon beim Betreten des Theatersaales kann der Zuschauer nicht übersehen, dass es eine besondere Aufführung ist. Die Bühne – durch große Wände auf den vorderen Bereich verengt – wird gefüllt mit einer Art Hüpfburg, vor, neben und vor allem auf der sich die Akteurinnen und Akteure bewegen.
Peter Rossbach
27.10.2022